Nach der Einladung mit ihren Bestandteilen geht es im folgenden Kapitel um die eigentliche Eigentümerversammlung. Dabei wird auf die bereits geschilderten Digitalisierungsmöglichkeiten für die Einladung aufgebaut. Hierdurch zeigt sich, dass die vorhandenen Daten, die in der Verwaltungssoftware eingepflegt sind sich vielfach sinnvoll weiter verwenden lassen.
4.1 Anwesenheitsfeststellung vs. Nichtöffentlichkeit der Versammlung
Eine der großen Herausforderungen bei der Eigentümerversammlung ist die festzustellen, welche Personen anwesend sind. Hintergrund ist die Auslegung des § 23 Abs. 1, wonach „Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer“ erfolgen. Hieraus werden zwei Dinge abgeleitet. Die Nichtöffentlichkeit der Eigentümerversammlung und dass es sich um eine Präsenzveranstaltung handelt.51 Mit der Folge, dass grundsätzlich nur Wohnungseigentümer oder deren Vertreter an der Versammlung teilnehmen dürfen und sich hierfür am Versammlungsort einfinden müssen.52 Dies ist zu Beginn der Versammlung durch den Versammlungsleiter sicherzustellen und lässt sich in kleinen Gemeinschaften gewährleisten, in denen dem Verwalter die Eigentümer vielleicht persönlich bekannt sind. Bei größeren Gemeinschaften wird dies jedoch immer schwieriger.
Dabei geht die Rechtsprechung so weit, dass eine bestehende Nichtöffentlichkeit ausreichend für einen Anfechtungsgrund ist.53 Hier bietet die Digitalisierung eine gute Möglichkeit den Verwalter zu unterstützen.
Entscheidend ist, dass die Anwesenheitsfeststellung schnell und unkompliziert erfolgt. Daher muss der Prozess einfach und nachvollziehbar gestaltet sein. Ausgangspunkt ist das Online-Portal oder die dazugehörige App. Hierüber lässt sich der Eigentümer ziemlich sicher identifizieren und seine Berechtigung zur Teilnahme verifizieren. Manche Verwaltungssoftware bietet die Möglichkeit, dass jeder Eigentümer einen eigenen Portalzugang erhält. Damit lässt sich dann bei Eheleuten oder Eigentümergruppen feststellen, ob die jeweilige Person teilnahmeberechtigt ist oder nicht.
Der Eigentümer könnte über eine entsprechende Funktion sich bei der Eigentümerversammlung registrieren. In der App bzw. dem Online-Portal wird ein Barcode oder QR-Code erstellt, der sowohl die Eigentümergemeinschaft, die konkrete Versammlung, den Eigentümer und falls es zutrifft, den bevollmächtigten Vertreter beinhaltet. Diesen Barcode zeigt der Eigentümer beim Eintreffen vor und wird durch den Verwalter bzw. einen Mitarbeiter abgescannt. Dies kann über eine Verbindung von öffentlichem und privatem Schlüssel, ähnlich wie bei der E-Mail-Verschlüsselung, abgesichert werden.54 Damit ist eine eindeutige Verifikation gegeben. Als Alternative bzw. für Eigentümer, die kein Smartphone oder ähnliches haben, könnte ggf. mit Hilfe einer digitalen Signatur gearbeitet werden. Dazu könnte ein individualisierter Barcode auf dem Einladungsschreiben mit abgedruckt werden, damit auch hier eine berechtigte Teilnahme sichergestellt werden kann.
Gleichzeitig könnte über das Scannen auch sichergestellt werden, dass der Eigentümer vor Ort ist und nicht von irgendwo anders die App gestartet hat und aus der Entfernung daran teilnimmt. Auch das frühzeitige Verlassen der Eigentümerversammlung ließe sich über die App und das Smartphone kontrollieren, in dem diese z. B. vor einer Beschlussfassung eine Bestätigung erforderlich ist, die dazu die Geodaten prüft und bei dem Verlassen eines festgelegten Kreises den Eigentümer automatisch aus der Versammlung als „nicht mehr anwesend“ nimmt.
Für die spätere Dokumentation lässt sich das Ein- und Ausloggen mit einem Zeitstempel, dem so genannten Timestamp, versehen. Dabei sollte von vornherein auf einen qualifizierten Zeitstempel nach § 9 SigG geachtet werden.55 Die Übersicht kann dann später als revisionssichere PDF-Datei digital archiviert werden. Ebenso bietet der Timestamp eine weitere Möglichkeit die den Verwalter bei der Abstimmung vor eine Herausforderung stellt – die Feststellung der Beschlussfähigkeit, die „bei jeder einzelnen Abstimmung weiterhin gegeben sein“ muss.56
In der weiteren Überlegung kann die App auch erweitert werden, dass auch eine reine Onlineteilnahme ermöglicht wird. Dies ist aber von der zukünftigen Entwicklung der Gesetzgebung und Rechtsprechung abhängig. Hierzu gibt es aktuell erste Bemühungen im Arbeitskreis Digitalisierung des Verbands der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV).57
4.2 Beschlussfähigkeitsfeststellung
Wie bereits ausgeführt ist die Beschlussfähigkeitsfeststellung eine entscheidende Tätigkeit des Versammlungsleiters vor Beginn der Eigentümerversammlung, damit diese eröffnet werden kann.58 Doch nicht nur zu Beginn muss die Beschlussfähigkeit gegeben sein, sondern bei jedem einzelnen Tagesordnungspunkt über den abgestimmt werden soll.59
Über den unter 4.1 vorgestellten Prozess der Teilnahmelegitimation lässt sich als Nebenprodukt die Beschlussfähigkeit digital ermitteln. Softwareseitig können die Miteigentumsanteile aller anwesenden und durch Vollmacht vertretenen Eigentümer umgehend und fehlerfrei aufsummiert werden und bieten dem Verwalter damit auf einen Blick die notwendige Information, ob die Versammlung beschlussfähig ist oder nicht.
Über die beiden gespeicherten Timestamps des Ein- und Ausloggen lässt sich dies sogar auf die einzelnen Tagesordnungspunkte erweitern. Hierzu wird beim Aufruf jedes einzelnen Tagesordnungspunktes bzw. vor der Beschlussfassung durch den Versammlungsleiter ein Timestamp gespeichert. Damit ist nachvollziehbar sichergestellt, wer zu diesem Zeitpunkt von den Eigentümern anwesend bzw. vertreten ist.
Wichtig ist, dass die Software unterscheiden kann, ob es sich um die Eigentümerversammlung, die Wiederholungsversammlung oder die Versammlung auf Grund der Eventualeinberufung handelt. Dadurch kann die Software dem Versammlungsleiter mitteilen, ob er die Versammlung vertagen oder auf Grund der Eventualeinberufung verschieben muss. Parallel vermerkt die Software einen entsprechenden Hinweis im Protokoll.
Für eine spätere Online-Versammlung könnte man vorsehen, dass der Eigentümer eine Abfrage mit „OK“-Schaltflächen angezeigt bekommt, mit deren Betätigung er bestätigt, dass er noch anwesend ist und damit an der darauffolgenden Abstimmung teilnehmen kann. Diese Abfrage könnte man mit einem z. B. 15 Sekunden Countdown versehen, nachdem sie dann verschwindet und der Eigentümer in dem Fall für die darauf folgende Abstimmung als nicht anwesend vermerkt wird.
So könnte die Software immer wieder festhalten, ob auch während der Versammlung bzw. vor jeder Beschlussfassung die Beschlussfähigkeit gegeben ist.